„Die Arbeitsbedingungen auf dem Polizeirevier Winnenden scheinen Minister Strobl nicht zu interessieren“
Kleine Anfrage von Julia Goll zur schlechten Ausstattung des Polizeireviers Winnenden lässt klare Antworten und Strategien der Landesregierung vermissen:
„Die Arbeitsbedingungen auf dem Polizeirevier Winnenden scheinen Minister Strobl nicht zu interessieren“
Eine mehr als angespannte Personalsituation, steigende Deliktzahlen sowie eine mangelhafte technische Ausstattung und marode Infrastruktur: Die Zustände, die der kommissarische Leiter des Polizeireviers Winnenden, Friedhelm Veigel, am 18. Juni dem Verwaltungsausschuss des Winnender Gemeinderats schilderte, sind auch für Julia Goll schockierend: „Die Arbeitsbedingungen und Belastungen der Beamtinnen und Beamten auf dem Revier in Winnenden sind nicht hinnehmbar und für alle Beteiligten eine Zumutung“, betont die innenpolitische Sprecherin der FDP/DVP-Fraktion. Um in Erfahrung zu bringen, „welche konkreten Schritte seitens des Innenministeriums geplant sind, um die Missstände im Polizeirevier Winnenden zu beseitigen“, hatte die Waiblinger Landtagsabgeordnete direkt nach Veigels „Brandrede“ eine Anfrage an die Landesregierung gestellt (Drucksache 17/6998).
Doch mit der Antwort aus dem Innenministerium gibt sich Goll alles andere als zufrieden: „Leider zeigt sich, dass die Landesregierung bislang nichts unternommen hat, um die bekanntermaßen angespannte Personalsituation zu verbessern.“ Auch lasse die Stellungnahme jegliche konkrete Planung für die Zukunft vermissen. Vielmehr versuche Innenminister Strobl, die Situation auf dem Revier „schönzurechnen und schönzureden“. Goll: „Fakt ist, dass in Winnenden seit langem 11,1 von insgesamt 61 im Haushaltssoll eingeplanten Vollzeitstellen im Polizeivollzugsdienst unbesetzt sind, was einem Anteil von mehr als 18 Prozent entspricht.“ Es sei schier unglaublich und nicht hinnehmbar, dass Strobl „dieses dauerhafte Minus offensichtlich für normal hält.“ Trotz der knappen Personaldecke seien zudem 14 Polizeivollzugsbeamte an sechs Tagen der Fußballeuropameisterschaft 2024 nach Stuttgart abgestellt worden, um die Einsatzmaßnahmen vor Ort zu unterstützen. Wie weiter aus der Antwort des Innenministeriums hervorgeht, hätten im vergangenen Jahr zehn Beamtinnen und Beamte das Revier in Winnenden verlassen, das im selben Zeitraum lediglich acht Neuzugänge verzeichnen konnte. Der „gebetsmühlenartige, immer wiederkehrende Hinweis“ Strobls auf die Einstellungsoffensive bei der Polizei könne nicht darüber hinwegtäuschen, wie angespannt und belastend die Situation für die 50 Beamtinnen und Beamten auf dem Revier sei, betont Goll.
Auch auf die Zunahme besonders bearbeitungsintensiver Straftaten gehe Strobl in seiner Antwort nicht weiter ein – unter dem Hinweis, „dass es sich bei der Bearbeitungsintensität im Sinne angefallener Aufwände um keinen Erfassungs- und Auswerteparameter der Polizeilichen Kriminalstatistik handelt.“ Doch laut Goll, die bis 2021 als Richterin am Landgericht Stuttgart tätig war, bedarf es nur eines Blickes in die Aufstellung der Fallzahlen, um die zusätzliche Belastung der Winnender Reviermitarbeiter zu erkennen: 2023 ist dort die Zahl der bearbeiteten Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 Prozent auf insgesamt 2.655 Fälle angestiegen. Zugenommen haben etwa Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit, gefährliche Körperverletzungen sowie Bedrohungen. Besonders stark angestiegen sind Diebstahldelikte (+27 Prozent), Betrugsdelikte (+ 36 Prozent) sowie Vermögens- und Fälschungsdelikte mit einer Zunahme von rund 40 Prozent.
Reviersanierung laut Strobl für 2025 „angedacht“ - Schließung des Schießstands beschlossen
Auf die Frage Golls, welche konkreten Pläne es aktuell für die dringend notwendige Sanierung des Polizeireviers gebe, teilte das Innenministerium mit, dass „unter anderem der Umbau und die Erneuerung der Wache, die brandschutzrechtliche Ertüchtigung des Gewahrsamsbereichs, die Herstellung eines barrierefreien Zugangs sowie die Sanierung des Daches vorgesehen sind.“ Doch auf Nachfrage nach einem konkreten Zeitplan blieb Strobl vage und gab lediglich an, dass der „Baubeginn für das kommende Jahr angestrebt wird.“ Insbesondere die Ausführungen des Ministers zur fehlenden Barrierefreiheit, die dem seit zehn Jahren defekten Aufzug geschuldet ist, sind für Goll nicht nachvollziehbar: So teilte Strobl dazu mit, „dass die bevorzugte bauliche Lösung in Form einer Rampe aufgrund der räumlichen Gegebenheiten bislang nicht umgesetzt werden konnte.“
Auch zur finanziellen Planung wenig Handfestes: „Die Gesamtbaukosten liegen im niedrigen einstelligen Millionenbereich und können aufgrund der frühen Planungsphase derzeit nicht genauer beziffert werden“, heißt es dazu aus dem Innenministerium. Konkret wurde Strobl lediglich beim letzten Punkt der FDP-Anfrage zur Zukunft der Schießanlage: „Im Bereich des Polizeipräsidiums Aalen sieht die Konzeption Einsatztrainingszentren in Aalen, Waiblingen und Schwäbisch Hall vor. Die Raumschießanlage in Winnenden soll deshalb langfristig nicht weiter betrieben werden.“
„Die Arbeitsbedingungen auf dem Polizeirevier Winnenden scheinen den Innenminister nicht zu interessieren. Strobl verschließt weiter die Augen vor den Sorgen und Nöten unserer Polizistinnen und Polizisten, die seit Jahren überlastet sind“, fasst Goll das Ergebnis ihrer Kleinen Anfrage zusammen. Erneut fordert die innenpolitische Sprecherin der FDP/DVP-Fraktion, dass die im Haushalt eingeplanten Personalstellen so schnell wie möglich zu besetzen sind. „Baden-Württemberg bildet seit langem bundesweit das Schlusslicht in Sachen Polizeidichte“, so Goll. Und mit einem Betreuungsverhältnis von 674 Bürgern je Polizeibeamten liege der Rems-Murr-Kreis dabei ganz weit hinten.