Kleine Anfrage "Lehrerversorgung und Unterrichtsausfall im Rems-Murr-Kreis"
Kleine Anfrage von Julia Goll und Jochen Haußmann zeigt:
Fehlende Schulleitungen und steigende Schülerzahlen belasten Schulen im Rems-Murr-Kreis
Mit Beginn des neuen Schuljahres 2025/26 konnte das Staatliche Schulamt Backnang dank 111 fest eingestellter neuer Lehrkräfte zwar leichte Entwarnung bei der Unterrichtsversorgung geben – doch der Lehrermangel trifft inzwischen nicht nur die Klassenzimmer, sondern auch die Führungsebene der Schulen. Das zeigen aktuelle Zahlen aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Landtagsabgeordneten Julia Goll (Wahlkreis Waiblingen) und Jochen Haußmann (Schorndorf): Im laufenden Schuljahr müssen allein im Rems-Murr-Kreis 22 Leitungsstellen neu besetzt werden, landesweit fehlen laut Kultusministerium an den Schulen im Land mehr als 230 Führungskräfte.
Besonders betroffen sind im Rems-Murr-Kreis die Grundschulen: Von den 22 Vakanzen entfallen allein 13 Stellvertreterstellen auf diese Schulart. Des Weiteren sind Konrektorenstellen an zwei Gymnasien, zwei SBBZ sowie an einer Realschule, Gemeinschaftsschule und Beruflichen Schule unbesetzt. Hinzu kommen offene Schulleitungsposten an einem Gymnasium und einer Grundschule, die derzeit nur kommissarisch geführt werden. Gleichzeitig steigen die Schülerzahlen jedoch an den Grundschulen besonders deutlich an: Mit Beginn des Schuljahres 2025/26 besuchten 4.148 Erstklässler (+174) die Schulen im Kreis, insgesamt gibt es 16.022 Grundschüler (+480), so die Zahlen des Staatlichen Schulamts Backnang. Das bedeutet 19 zusätzliche Klassen (insgesamt 746) – bei ohnehin knapper Personaldecke und vielen offenen Stellen im Leitungsbereich der Grundschulen.
„Wenn im Klassenzimmer Lehrer fehlen, ist das schlimm genug. Wenn aber auch an der Spitze niemand dauerhaft Verantwortung übernimmt, dann wird es kritisch,“ sind sich die beiden FDP-Abgeordneten aus dem Rems-Murr-Kreis sicher. „Viele Pädagoginnen und Pädagogen schrecken vor einer Bewerbung auf Leitungsstellen zurück – zu viel Bürokratie, zu wenig Unterstützung“, betont Jochen Haußmann. Ohne starke Schulleitungen fehle die strategische
Steuerung – das Kollegium bleibe mit zahlreichen Aufgaben allein, wie etwa bei der Personalführung, Schulentwicklung und Elternarbeit. „Viele engagierte Lehrkräfte wollen gestalten, nicht verwalten. Doch wer heute eine Schulleitung übernimmt, landet zwischen Formularen, Berichtspflichten und Personallücken“, ergänzt Julia Goll: „Das System lebt derzeit vom Pflichtgefühl der Lehrkräfte, die zusätzlich Leitungsaufgaben übernehmen. Das führt zu Überlastung und Frust – und gefährdet langfristig nicht nur die Qualität des Unterrichts, sondern auch die Gesundheit der Lehrkräfte.“
Wie aus der Anfrage der beiden FDP-Abgeordneten hervorgeht, lag der Unterrichtsausfall im Rems-Murr-Kreis Ende letzten Jahres bei durchschnittlich 4,7 Prozent, an Gymnasien sogar bei 6,9 Prozent, an den Beruflichen Schulen fielen 6,1 Prozent der Pflichtstunden aus (zum Unterrichtsausfall an den Grundschulen wurden seitens der Landesregierung keine Angaben gemacht). Eine solide Krankheits- oder Schwangerschaftsreserve konnte das Staatliche Schulamt Backnang nach eigenen Aussagen auch in diesem Jahr wieder nicht bilden. „Wir laufen sehenden Auges in eine Situation, in der die engagiertesten Lehrkräfte ausbrennen“, warnt Haußmann. Man könne nur hoffen, dass in diesem Herbst/ Winter eine massive Erkältungs- und Grippewelle ausbleibe.
Auch die nachträglich verteilten 1.440 Lehrstellen im Land – Folge eines Programmierfehlers im Verwaltungssystem DIPSY – hätten den Schulen im Rems-Murr-Kreis keine spürbare Entlastung gebracht. Im Grundschulbereich des Schulamts Backnang kamen gerade einmal zwei neue Stellen an, an den Gymnasien im Kreis drei. Auch die 20 im Bereich der Sonderpädagogik zugeteilten Stellen konnten auf Grund fehlender Fachkräfte keine Verbesserung der Gesamtsituation bewirken.
Der Negativtrend bei der Besetzung von Schulleitungsstellen sei seit Jahren bekannt, betonen Goll und Haußmann. Nun werde es höchste Zeit, „dass die Landesregierung endlich handelt, bevor noch mehr Verantwortungsträger aufgeben.“ Die FDP-Landtagsfraktion fordert ein umfassendes Maßnahmenpaket, um die Leitungsfunktionen an Schulen attraktiver zu machen. Dazu gehören eine spürbare Entlastung von Verwaltungsaufgaben, eine bessere personelle Unterstützung etwa durch Schulverwaltungsassistenzen und IT-Fachkräfte (so genannte „digitale Hausmeister“), eine Stärkung von Teilzeitmodellen sowie eine angemessene finanzielle Aufwertung der Leitungsämter. Laut Haußmann könne man den Schulen mit der Übertragung von Personal- und Haushaltsbudgets zudem mehr Eigenständigkeit übertragen, „die es ihnen ermöglicht, Lehrkräfte passend zum jeweiligen Schulprofil auszuwählen.“ Neben strukturellen Reformen fordern die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden außerdem ein digitales und damit flexibleres und schnelleres Nachbesetzungsverfahren für Schulleitungsstellen. Oft vergingen Monate zwischen Ausschreibung und Besetzung – Zeit, in der Schulen ohne klare Führung auskommen müssten.
„Lehrerinnen und Lehrer leisten Hervorragendes. Aber ohne starke Schulleitungen bricht das System auf Dauer zusammen“, so Goll und Haußmann abschließend. „Das Kultusministerium muss jetzt ein klares Signal der Wertschätzung und Unterstützung an die Menschen senden, die die Schulen jeden Tag am Laufen halten.“ Gerade im Rems-Murr-Kreis mit seiner engagierten Bildungslandschaft brauche es wieder Perspektiven und Verlässlichkeit.
Kleine Anfrage der Abg. Julia Goll und Jochen Haußmann (FDP/DVP) und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport: „Lehrerversorgung und Unterrichtsausfall im Rems-Murr-Kreis im Schuljahr 2024/25 und IST-Versorgungsgrad für das Schuljahr 2025/26“ (Drucksache 17/9463)