Volksbegehren: Graswurzeldemokratie ist auch mit kleinerem Landtag gesichert

Jochen Haußmann, Julia Goll und die FDP unterstützen dieses Volksbegehren.

„Wenn wir für den Bundestag mit zwei Wahlkreisen im Rems-Murr-Kreis auskommen, um die Wählerinnen und Wähler im Sinne einer Graswurzeldemokratie zu repräsentieren, dann trifft das ganz sicher auch auf den Landtag zu“, sagen Jochen Haußmann, FDP-Landtagsabgeordneter aus Kernen, und seine Kollegin Julia Goll aus Waiblingen. Beide unterstützen die Verkleinerung der Landtagswahl auf insgesamt 38 Wahlkreise und 68 Sitze (statt bisher 120).

Da grün-schwarz bei diesem Projekt, für das die FDP einen Gesetzesvorschlag vorgelegt hat und ein Volksbegehren starten wollte, nicht mitziehen mochten, wird jetzt parallel zu einer von der FDP eingereichte Klage vor dem baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof ein paralleler Anlauf genommen, um die Fristen bis zur nächsten Landtagswahl halten zu können: Die Rems-Murr-FDP, deren Kreisvorsitzender Jochen Haußmann auch ist, unterstützt das Volksbegehren von Dieter Distler (81) aus Bietigheim-Bissingen, das Mitte August genehmigt wurde und in die gleiche Richtung zielt. Die Stadt- und Ortsverbände der FDP im Rems-Murr-Kreis wurden inzwischen vom Kreisvorstand aufgefordert, sich an der Unterschriftensammlung zu beteiligen und mit Infomaterial ausgestattet. Jochen Haußmann geht mit gutem Beispiel voran: „Ich werde in Kernen, mit dem FDP OV Kernen am 7. September, von zehn bis zwölf Uhr auf dem Wochenmarkt in Rommelshausen Unterschriften sammeln.“
 
„Wenn nichts passiert, droht ein XXL-Landtag“, daran haben Julia Goll und Jochen Haußmann keinen Zweifel. Denn bei der nächsten Landtagswahl 2026 wird das Zwei-Stimmen-Wahlrecht aus der Bundestagswahl übernommen. Die Erststimme bestimmt über den Wahlkreisgewinn. Die Zweitstimme legt den Abgeordnetenanteil fest  „Das Problem liegt in den möglichen Überhangmandaten“, sagen die beiden, die als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der derzeitigen FDP-Landtagsfraktion hautnah mit dem Thema befasst sind: „Je nachdem, wer die Direktmandate holt, könnten es ohne Änderung über 200 Abgeordnete werden.“ Derzeit sind es 154, davon drei aus dem Wahlkreis Waiblingen, drei aus dem Wahlkreis Schorndorf und drei aus dem Wahlkreis Backnang. Also neun Abgeordnete aus drei Wahlkreisen. „Für die Bundestagswahl reichen bei im Prinzip gleicher Wahlberechtigtenzahl aus dem Rems-Murr-Kreis von um die 295.000 Menschen zwei Wahlkreise, um deren Bevölkerung in der Bundespolitik zu repräsentieren, die um einiges brisanter ist, als die Landespolitik“, rechnet Julia Goll vor. In den Bundestag zogen dafür zuletzt fünf Abgeordnete ein.
 
Die „Graswurzeldemokratie“, seit Reinhold Maier, dem legendären ersten Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Grundlage des demokratischen Selbstverständnisses der FDP, nehme also „definitiv keinen Schaden, wenn der Landtag kleiner wird“, sagt Jochen Haußmann. Und die „Mediendemokratie“, die diese liberale Idee ergänze, sorge ohnehin über die elektronische Vernetzung auf allen Ebenen dafür, dass „alle vielfältige Möglichkeiten haben, gehört zu werden“, sagt Julia Goll, „auch wenn wir ja vom Ministerpräsidenten gesagt bekommen, dass Gehörtwerden nicht Erhörtwerden beinhaltet“.
 
Ein Beispiel, dass sich Volkes Stimme durchsetzen kann, sei nicht zuletzt das Volksbegehren selbst. Sowohl Jochen Haußmann als auch Julia Goll ist dabei bewusst, dass sich bei einem Erfolg für die FDP, aber auch für sie persönlich die Chancen verkleinern, in den nächsten Landtag gewählt zu werden: „Das bringt eine Verkleinerung des Landtages nun mal so mit sich. Aber deswegen ist sie trotzdem richtig.“ Deswegen sehen sie in der Ablehnung des FDP-eigenen Volksbegehrensvorschlag im Landtag auch den Beweis dafür, dass es den Gegnern nicht um die Demokratie, sondern um die Sicherung von Pfründen für Parteimitglieder geht. Julia Goll: „Unser eigenes Volksbegehren ist aktuell vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig, weil es von Innenminister Thomas Strobl politisch motiviert ausgebremst wurde, weil er offensichtlich keinerlei Interesse daran hat, dass der Landtag verkleinert wird“.
 
770.000 Wahlberechtigte im Land könnten ihm diese Suppe versalzen. Vorausgesetzt, sie setzen ihre Unterschrift korrekt und nach Vorschrift auf die Listen, die landesweit für das Volksbegehren ausgelegt werden: auf Wochenmärkten, bei Veranstaltungen oder in Fußgängerzonen. Unterstützt wird die Initiative für einen kleineren Landtag auch durch den Verein „Mehr Demokratie e.V“, der sich bundesweit für mehr direktdemokratische Verfahren wie Bürgerbegehren und Volksentscheide einsetzt, sagt Jochen Haußmann. Die nächste Station in Sachen „Kleinerer Landtag“? „Zehn Prozent aller Wahlberechtigten in Baden-Württemberg müssen dem Volksbegehren zustimmen, um die Volksabstimmung durchzusetzen und dann benötigt’s natürlich eine Mehrheit für die Verkleinerung des Landtages bei der dann folgenden Volksabstimmung. Wir haben also einen Hauch von Schweiz, wo das Volk viel öfter entscheidet und was ist das anderes als Graswurzeldemokratie?“