Die Bedrohung für den Weinbau durch die EU ist unverändert
Jochen Haußmann und Julia Goll: „Wir brauchen eine Allianz in der EU, die unsinnige Regelungen verhindert!“
„Hier ein kleiner Rückzug bei der Pflanzenschutzverordnung, dafür da Attacke über den Green Deal mit dem ‚Nature Restoration Law‘ und zwischendrin werden die hochgelobten Kompromisspositionen schon wieder kassiert“, so fassen Jochen Haußmann und Julia Goll, die aktuelle Lage bei den laufenden Verfahren zu den Reglungen für den Pflanzenschutz für den Weinbau im Remstal und europaweit zusammen. Mit dem geplanten Gesetz zur Wiederherstellung der Natur werde die Lage bedrohlich, denn damit sollen bereits im Mai im Umweltausschuss des Europaparlaments Regelungen auf den Weg gebracht werden, die „nicht nur den Weinbau bedrohen“.
„Das Thema ist ein Musterbeispiel für die Undurchsichtigkeit der aktuellen EU-Politik“, sagen Jochen Haußmann und Julia Goll und beziehen sich darauf, dass es einerseits um den Vorschlag zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) geht. „Den haben wir seit Jahresanfang mehrfach diskutiert.“ Und andererseits innerhalb des Green Deals vor wenigen Tagen im Europaparlament die Verhandlungen über das „Nature Restoration Law“ gestartet wurden: Das Gesetz stelle eine viel, viel größere Gefahr für die Branche dar, sagte beispielsweise die EU-Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz, Christine Schneider (EVP), beim Pfälzer Weinbautag, zitiert Jochen Haußmann Berichte über diese Veranstaltung. Warum? „Das liegt an den Regularien: Im Gegensatz zur Pflanzenschutzrichtlinie, über die im Agrarausschuss des EU-Parlaments verhandelt wird, wird dieses Gesetz im Umweltausschuss debattiert.“ Und dort hat die Landwirtschaft ein viel kleinere Lobby, „oder sagen wir besser es gibt dort weniger Expertinnen und Experten, die sich mit der Landwirtschaft auskennen.“
Auf Landesebene herrsche in Baden-Württemberg Einigkeit, dass die EU mit „unsinnigen Regelungen“ meilenweit übers Ziel hinausschieße. „Aber wir haben aus der E-Fuel-Debatte gelernt, dass vor allem die Grünen innerhalb des sogenannten Trilogs, den Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, beratungsresistent sind.“ Ein Dreh- und Angelpunkt ist das Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion, die Österreicherin Sara Wiener. Diese habe Teile der Kritik an den SUR-Regelungen in ihrem Bericht aufgegriffen und plädiert für eine geringere Zahl an sensiblen Gebieten. Gleichzeitig verschärft sie bei besonders gefährlichen Pestiziden ihre Forderungen auf eine Reduktion um 80 Prozent bis 2030. Außerdem soll die EU-Kommission eine Steuer für die Chemikalien ausarbeiten, deren Höhe von den Risiken ihres Einsatzes abhängen soll.
„Besonders gefährliche Pestizide“, so erläutert Andreas Glück, Europaabgeordneter der FDP, sind nichts, wovor der Mensch besonders Angst haben muss: „Das ist eine eu-übliche Bezeichnung für eine Gruppe von Pflanzenschutzmitteln, die relativ zu anderen gefährlicher sind. Wichtig zu betonen ist hier, dass sie nach den strengen Regularien der EU zugelassen sind und bei sachgemäßem Einsatz keine Gefahr besteht und dass von diesen Mitteln häufig viel weniger ausgebracht werden muss als von weniger potenten Mitteln. Dennoch möchten natürlich auch die Landwirte selbst immer sicherere Mittel einsetzen. Das Problem entsteht, wenn Substanzen aus dem Markt genommen werden, ohne dass neue, sicherere Mittel nachfolgen. Schon im Falle, dass nur zu wenige verschiedene Mittel zur Verfügung stehen, entstehen Resistenzen. Deshalb fordert die FDP schnellere Zulassungsverfahren für diese neuen sicheren Mittel.“
Andreas Glück, Europaabgeordneter der FDP, sieht keinen Grund zur Entwarnung, was die Richtlinie angeht: „Der Entwurf in seiner jetzigen Form wird der Landwirtschaft den Garaus machen. Ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten kommt einem Berufsverbot der Landwirte in diesen Gebieten gleich, was – wenn es nach der FDP geht – unbedingt verhindert werden muss. Um diese Katastrophe zu verhindern, haben wir zwischenzeitlich einige Änderungsanträge gestellt.“ Die wichtigsten sind, laut Andreas Glück: Verschiebung des Zieljahres 2030 auf zehn Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung; Verpflichtung der Kommission drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung neue Indikatoren zu entwickeln, die eine fruchtspezifische Regulierung ermöglichen. In sensiblen Gebieten soll der Pflanzenschutzmitteleinsatz nur dann eingeschränkt werden können, wenn nachgewiesen werden kann, dass er im konkreten Widerspruch zum Schutzzweck des Gebiets steht. Einschränkungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in sensiblen Gebieten dürfen nur erfolgen, wenn (erheblicher) wirtschaftlicher Schaden für Landwirte und Privatpersonen ausgeschlossen werden kann.
Andreas Glück: Diese Forderung ist als Bestandsschutzregelung formuliert. Bei der Ausweitung von Schutzgebieten wurde den Landwirten stets versprochen, ihre Betriebe weiterführen zu können. Dies nun durch die Hintertür zu ändern, halten wir für falsch. Für den Naturschutz ergibt sich keine Verschlechterung. Die Bewirtschaftung und Naturschutz als Gegensatz zu sehen, ist zudem meist widersinnig. Beispielsweise würden unbewirtschaftete Weinberge in kürzester Zeit von Brombeeren überwuchert werden. Der artenreiche Lebensraum, der durch die Kultivierung entstanden ist, würde zerstört. Voraussetzung für den Erhalt dieser Lebensräume ist, dass die Landwirte und Wengerter wirtschaftlich arbeiten können. Ohne Pflanzenschutzmittel ist dies nicht möglich. Die FDP setzt sich deshalb insbesondere für schnelle Zulassungen besserer Mittel ein. So kann zum Beispiel zielgenauer gegen invasive Schädlinge vorgegangen werden.
Das ist aber alles nur vorläufig, entscheidungsabhängig und vor allem nicht sicher: Vor allem aber ist die SUR, auf die sich diese Anträge beziehen, nur ein Schwert, das die EU gezogen hat: „Von unserem Fraktionskollegen Erik Schweickert wissen wir, dass davon auszugehen ist, dass ein Großteil der Vorschläge aus dem Wiener-Bericht wieder einkassiert wird. Er sieht eher die Gefahr, dass das SUR-Vorhaben deutlich abgeschwächt wird und dann in einigen Monaten mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur der richtige Hammer kommt“, sagen Jochen Haußmann und Julia Goll. Berichterstatter für dieses Gesetz ist César Luena (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, S&D). In dessen Vorschlägen ist in der Tat unter anderem ein Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten enthalten: „Wir fangen damit die ganze Diskussion wieder von vorn an“, sagt Julia Goll. „Wir müssen einen Stopp in letzter Sekunde vermeiden“, sagen Jochen Haußmann und Julia Goll: „Dafür benötigen wir als Erstes eine breite Allianz quer durch alle Fraktionen des Europaparlaments und da sind Cem Özdemir als Landwirtschaftsminister und Steffi Lemke als Umweltministerin in der Pflicht, das von der Bundesregierung aus anzustoßen.“