Hofschlachtung muss nach bayerischem Vorbild günstiger werden

Die Rinderbestände schmelzen bundesweit weiter wie Butter in der Sonne: Was an Rindern in Deutschland verfügbar ist, hat Ende 2023 bundesweit den niedrigsten Wert seit Jahren erreicht: 10,836 Millionen Milchkühe, Mastrinder, Zuchttiere, Mutterkühe oder Kälbchen wurden zum Stichtag 03.11.2023 in den Ställen und auf den Wiesen und Weiden von Waterkant bis Alpenrand gezählt. Das sind rund 161.000 weniger als ein Jahr zuvor. Im Rems-Murr-Kreis geht die Rinderhaltung ebenfalls zurück: Aktuell werden 19.992 Tiere gehalten, 350 weniger als vor einem Jahr. 

„Im Gegensatz zu anderen Regionen wird im Rems-Murr-Kreis aber aktiv für eine regionale, am Tierwohl orientierte Fleischversorgung gearbeitet“, sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Jochen Haußmann. Er verweist zusammen mit der Waiblinger Kollegin Julia Goll, mit der er auch zusammen im Kreistag sitzt, darauf, dass der Kreis jetzt als von Land geförderte Bio-Musterregion für drei Jahre in die Verlängerung geht: „Das ist ein echter Erfolg.“ Da ließe sich auf der Ebene der Schlachtbetriebe aber noch eines draufsetzen: „Wir fordern eine Neuordnung der Fleischhygienegebühren, von der kleinere, regionale, Schlachtbetriebe profitieren sollen, nach bayerischem Vorbild.“ Dort gelten für Betriebe mit geringem Tierdurchsatz, aber auch mobile Einheiten für die Weideschlachtung, seit Juli 2023 geringere Schlachtgebühren je Tier, wie das Landes-Landwirtschaftsministerium auf einen Berichtsantrag der FDP-Landtagsfraktion bestätigte.

„Auf den ersten Blick sieht alles gar nicht so schlimm aus es, markiert aber trotzdem einen Trend in der Ernährung, der sich auf die bäuerliche Landwirtschaft auswirkt: sinkende Nachfrage nach Fleisch und Milch, unauskömmliche Preise zumindest für einen Teil der Landwirte mit Viehwirtschaft und damit sinkende Bestände“, fasst Jochen Haußmann zusammen. Unterteilen wir den Bestand der potenziellen Fleischlieferanten in der Republik, dann gab es Ende 2023 unter anderem rund 3,71 Millionen Milchkühe in Deutschland, die neben Fleisch das zweite wichtige Nahrungsmittel sicherten, das die mitteleuropäische Menschheit durch die Jahrtausende begleitet und die das weibliche Rind, dank Kälbchen zur Kuh macht: Milch. Lokal betrachtet, waren von den genannten 19.992 Rindern, die am Stichtag 3. November 2023 im Rems-Murr-Kreis gezählt wurden, 6.585 Milchkühe. Auf die letzten fünf Jahre gesehen, sah die Rinder-Entwicklung, so aus: Für 2018 steht in der Regionaldatenbank Genesis für unseren Bereich ein Bestand von 20.625 Rindern (Milchkühe: 6.894). Zwölf Monate später waren es 20.491 Rinder (Milchkühe: 6.786). Im Jahr darauf meldeten die Viehhaltenden 20.232 Rinder (Milchkühe: 6.701), zum Stichtag 2021 waren es 19.971 Rinder (Milchkühe: 6.677), zum Stichtag 2022 dann 20.342 Rinder (Milchkühe: 6.639).

Zuchtvieh, Milchvieh und Mastvieh sind die Möglichkeiten, mit denen der Landwirt mit Kuh und Rind seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Nehmen wir den Dung dazu, lässt sich dieser in Biogasanlagen einspeisen. Gut koppeln lassen sich Milcherzeugung und Fleischproduktion. Die 6.585 in der Rinderzahl enthaltenen Milchkühe in den Ställen in unserem Bereich machen dabei momentan rund 32,9 Prozent des gesamten Rinderbestands aus. Deutschlandweit lieg dieser Anteil bei 34,3 Prozent. Metzger oder Schlachtbetriebe haben weitere Einnahmequellen, weil sich das Rind komplett verwerten lässt.

 „Der Landkreis spielt auch auf Initiative der FDP-FW-Fraktion im Kreistag im bundes- und landesweiten Vergleich eine Sonderrolle“, sagen Jochen Haußmann und Julia Goll. Die Fraktion profitiere dabei vom Fachwissen und Engagement ihres Mitglieds Werner Häfele, der als Metzger und Tierwohlfachmann über das entsprechende Know-how verfügt. Die Bio-Musterregion Rems-Murr-Ostalb wurde im Dezember 2020 als eine von fünf Bio-Musterregionen im Land gegründet und hat „unter anderem bei den Themen hofnahe Schlachtung, Bio in der Außerhaus-Verpflegung sowie Vermarktung und Verbraucheraktionen viel erreicht“, sagt das Landratsamt in einer Pressemitteilung, in der die Fortsetzung ab 2024 für die nächsten drei Jahre gemeldet wird. Deren Arbeit geht über Rind und Kuh hinaus: Aufgabe ist es „Erzeugung, Verarbeitung und den Verkauf von regionalen und ökologischen Lebensmitteln zu fördern. Durch Vernetzungsarbeit und gezielte Beratung durch die Landwirtschaftsämter sollen bestehende Bio-Betriebe gestärkt und weitere potenzielle Bio-Betriebe gewonnen werden.“

 „Um der Rinderdämmerung im heimischen Stall Einhalt zu gebieten, braucht es noch zusätzliche Maßnahmen“, sagt Werner Häfele: „Wir fordern die Übernahme des bayerischen Modells im Land“, bestätigt Jochen Haußmann. Und Julia Goll zitiert ergänzend den agrarpolitischen Sprecher ihrer Fraktion, Georg Heitlinger. Der sagt: „Nachdem die bayerische Regelung zur Entlastung kleinerer Schlachtbetriebe bei den Fleischhygienegebühren von der EU-Kommission genehmigt wurde, kann sich Baden-Württemberg und die grün-schwarze Landesregierung nicht mehr hinter rechtlichen Fragen verstecken. Die Situation gerade kleinerer Handwerksmetzgereien, die noch selbst schlachten, ist prekär, immer mehr schmeißen das Handtuch. Dadurch gehen auch vielen Landwirten, die regional erzeugte Fleischprodukte vermarkten, Wertschöpfungsketten verloren.“ Dass die Betriebe bundesweit „kaum in neue Ställe investieren, obwohl wichtige Zukunftsinvestitionen anstehen, ist alarmierend“, heißt es im Situationsbericht für 2023 des Deutschen Bauernverbandes, sagt Jochen Haußmann: „Der kam vor den Bauernprotesten raus.“ Und „wenn es der Landesregierung ernst ist mit den Sonntagsreden, regionale Erzeugung von Lebensmitteln fördern zu wollen, dann muss jetzt zügig eine Entlastung für unsere Betriebe auf den Tisch kommen.“