Zahl der Ersthelfer-Alarmierungen im Rems-Murr-Kreis stark gestiegen
Zahl der Ersthelfer-Alarmierungen im Rems-Murr-Kreis stark gestiegen – Goll und Haußmann sehen noch Verbesserungsbedarf bei Reaktionsquote
Wenn der Notruf 112 gewählt und der Verdacht auf einen Herz-Kreislauf-Stillstand besteht, zählt jede Sekunde. Das Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg hat eine Hilfsfrist festgelegt, die ab Eingang des Notrufs bis zum Eintreffen des Rettungswagens nicht mehr als 10, maximal 15 Minuten betragen und in 95 Prozent aller Fälle eingehalten werden soll – viel zu lang für Patienten mit akuten Herz- oder Kreislaufproblemen. Eine ganz besondere Bedeutung kommt daher bei lebensbedrohlichen Fällen dem Einsatz von Ersthelfern zu, die die Zeit bis zum Eintreffen des Notarzt- oder Rettungswagens überbrücken und bis dahin Erste Hilfe leisten: Sobald ein Notruf bei der Integrierten Leitstelle eingeht, werden qualifizierte Ersthelferinnen und Ersthelfer via App in der Nähe des Einsatzortes lokalisiert und über ihr Smartphone alarmiert. Dadurch können diese bereits lebensrettende Maßnahmen ergreifen, während parallel dazu der Rettungsdienst anfährt.
Wie aus einem Antrag der FDP-Landtagsfraktion zum „Ersthelferwesen in Baden-Württemberg“ hervorgeht – der auch von den beiden FDP-Abgeordneten des Rems-Murr-Kreises, Julia Goll und Jochen Haußmann, unterzeichnet wurde – haben sich solche Ersthelfer-Alarmierungssysteme inzwischen in 12 Land- und Stadtkreisen im Südwesten etabliert. Während die Programme laut Stellungnahme des Innenministeriums in einigen Regionen wie Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe und Böblingen derzeit noch umgesetzt werden, ist im Rems-Murr-Kreis mit „First AED“ bereits seit 2020 das führende App-Alarmierungssystem im Einsatz – und optimiert beim DRK-Kreisverband Rems-Murr e. V. das etablierte „Helfer-vor-Ort“-System: Mit „First AED“ können registrierte und ausgebildete ehrenamtliche Ersthelfer, die sich in der Nähe des Notfalls befinden, über GPS-Daten geortet und via App über ihr Smartphone alarmiert werden. Vor 2020 wurden über die Leitstelle parallel zum Rettungsdienst diejenigen Ersthelfer alarmiert, die in der Umgebung des Unglücksortes wohnten – immer verbunden mit dem Risiko, das diese nicht zu Hause anzutreffen waren, während sich andere Ersthelfer möglicherweise gerade in nur geringer Entfernung aufhielten.
Bei den drei App-Alarmierungssystemen, die derzeit in Baden-Württemberg im Einsatz sind, liegen die durchschnittlichen Eintreffzeiten der Ersthelfer beim Patienten mit fünf bis sieben Minuten deutlich unter denen des professionellen Rettungswesens; im Rems-Murr-Kreis waren Ersthelferinnen und Ersthelfer in den vergangenen drei Jahren teilweise in weniger als einer Minute nach ihrer App-Benachrichtigung am Einsatzort. „Diese neuesten Zahlen zeigen, wie wirksam smartphone-basierte Ersthelfersysteme sind und welch wichtigen Beitrag sie dazu leisten, die Überlebenschancen von Menschen zu verbessern und bleibende Schäden zu verhindern“, betont die Waiblinger FDP-Abgeordnete Julia Goll. Im Falle eines Herzstillstandes etwa macht „First AED“ die Ersthelfer in nächster Umgebung ausfindig, schickt und leitet zwei davon zum Patienten sowie einen Dritten zum nächstgelegenen Defibrillator und koordiniert den Einsatz – womit wertvolle Minuten im Kampf gegen den Herztod gewonnen werden können. „Allen Ersthelfern gebührt als wertvoller Teil der Rettungskette größter Respekt und Anerkennung für ihren oft lebensrettenden ehrenamtlichen Einsatz“, unterstreicht Goll.
Üblicherweise sind die in den Apps registrierten Ersthelferinnen und Ersthelfer Mitglieder der beteiligten Hilfsorganisationen oder Mitarbeitende von Krankenhäusern. Denn um sich in der kostenlosen App registrieren und an die Leitstelle angebunden werden zu können, braucht man eine qualifizierte Ausbildung zum Ersthelfer, die auch vom DRK-Kreisverband Rems-Murr angeboten wird: Dabei legen die Teilnehmer einen Erste-Hilfe-Kurs mit acht Doppelstunden sowie eine Sanitätsausbildung mit 64 Stunden ab. Ein Angebot, das gut angenommen wird: Seit Einführung der Apps 2020 hat sich die Zahl der Ersthelfer landesweit nahezu verdoppelt; allein im Rems-Murr-Kreis ist die Zahl der ehrenamtlichen Lebensretter vor Ort auf mittlerweile 200 angestiegen.
„Auch die stetig steigende Zahl der Ersthelferalarmierungen zeigt, dass sich das System etabliert hat und als optimale Ergänzung zum professionellen Rettungsdienst gut genutzt wird,“ betont Jochen Haußmann, der im Stuttgarter Landtag den Wahlkreis Schorndorf vertritt: So wurden im vergangenen Jahr im Rems-Murr-Kreis mit 1499 Alarmierungen gut drei Mal so viele Ersthelfer via App benachrichtigt als noch 2020 mit 499 Meldungen. Damit liegt der Kreis innerhalb der zwölf teilnehmenden Regionen auf Platz zwei nach Freiburg mit 1953 Ersthelfer-Alarmierungen.
Verbesserungsbedarf sehen die beiden stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden allerdings noch bei den Reaktionsquoten, die das Innenministerium als Antwort auf den FDP-Antrag zum Ersthelferwesen veröffentlicht hat. Wie in allen Regionen haben sich auch im Rems-Murr-Kreis die Zahlen im Laufe der letzten drei Jahren kontinuierlich verbessert, dennoch rangiert der Kreis mit einer Reaktionsquote von 31 Prozent landesweit im hinteren Drittel. „Wenn man weiß, welch wichtige Rolle die Ersthelferinnen und Ersthelfer bei der Notfallversorgung in lebensbedrohlichen Einsatzfällen übernehmen, gibt es hier noch Verbesserungspotential“, so Haußmann, der in diesem Zusammenhang auch eine stärkere Unterstützung der Hilfsorganisationen durch die Landesregierung fordert.
Insbesondere müsse mit Hochdruck daran gearbeitet werden, die drei in Baden-Württemberg vorhandenen Ersthelfer-Apps „First AED“, „Mobile Retter“ und „Corehelper“ in ein landesweit einheitliches Konzept zusammenzuführen, das „eine organisationsübergreifende Alarmierung von Ersthelfern über alle Systeme hinweg ermöglicht“, wie Haußmann betont. Dazu wurde bereits im vergangenen Jahr die Arbeitsgruppe „Smartphonebasierte Ersthelfer-Alarmierung“ gegründet, die unter Federführung des DRK-Landesverbandes Baden-Württemberg an einem entsprechenden Gesamtkonzept arbeitet, in dem auch die Mindestqualifikationen für alle teilnehmenden Ersthelfenden festgelegt werden sollen.
Eine möglichst einheitliche und übergreifende Ersthelferinnen- und Ersthelfer-Alarmierung durch die Integrierten Leitstellen (ILS) sei auch ein wichtiges Anliegen des Landes, heißt es in der Stellungnahme des Innenministeriums zum FDP-Antrag. „Der Wunsch der Landesregierung, hier einheitliche Systeme zu schaffen, darf aber weder organisatorisch noch finanziell zu Lasten der ehrenamtlichen Dienstleister gehen“, stellt Goll klar. Denn bislang habe sich die finanzielle Unterstützung des Landes auf eine Einmalzahlung von 290.000 Euro im Jahr 2021 beschränkt, um den Ersthelfenden während der Corona-Pandemie eine Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen. „Die Ersthelfer-Systeme retten Leben. Deshalb muss sich das Land entsprechend engagieren, damit die Apps untereinander und zu den Integrierten Leitstellen passen,“ so die einhellige Forderung der beiden FDP-Abgeordneten des Rems-Murr-Kreises. Zudem dürfe die wichtige Rolle des Ersthelferwesens bei Notfalleinsätzen nicht davon ablenken, „dass das Land weitere Anstrengungen unternehmen muss, um möglichst schnell mit professionellen Rettungsmitteln vor Ort zu sein.“ Dazu gehöre auch, dass man alle verfügbaren Rettungsdienste - ob gemeinnützig oder privat - in die Rettungsdienstkonzeptionen mit einbinde. Dies ist nach Ansicht von Goll und Haußmann dringender denn je: „Wir dürfen hier auf keine verfügbaren Ressourcen verzichten.“